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Einleitung:
Nicole hat sich bitter beklagt, dass die allfälligen Beschwerden von
den bösen Gästen stets hinterrücks und post festum abgeschossen
werden.
Durch einen gemeinen Trick der Geschäftsleitung kann ein
Beschwerdeführer mündlich und ad hoc keine noch so berechtigte Kritik
anbringen, da man uns gleich zwei Führerinnen oktroiert hat, so dass
man beim besten Willen nicht weiss, an wen man sich überhaupt wenden
kann.
Ausserdem sind Nicoles Drohgebärden sattsam bekannt: Stirnrunzeln,
Augenrollen, gewaltiges Ansteigen des Stimmvolumens ( die Pferde
können ein Lied davon singen ! ), Ausfahren der Krallen, weit
ausholende Hand { von deren Effekt auf einer Wange die jungen Spanier
ein Lied singen können ).
Trotz alledem haben wir uns entschlossen, den Mut aufzubringen, ihr
die ganze Wahrheit ins Gesicht zu sagen, Nicole sozusagen von vorne
durch die Brust zu erschiessen.
( Die räumliche Distanz zu Krallen und Hand ist im Augenblick zum
Glück gegeben.)
Beschwerdebrief an die Leitung von PEGASUS-Reisen:
( Zur Kenntnis von Nicole Pegasa und Adlata Sybille )

Die Unterbringung entsprach leider den gewohnten europäischen
Massstäben, das in südlichen Ländern übliche Flohbeissen zur Nachtzeit
entfiel. Nur der häufige Stromausfall, gewisse Schwierigkeiten der
Telefonverbindungen sowie die märchenhafte Geschwindigkeit der
spanischen Post erinnern an alte Zeiten.

Die Verpflegung kam uns spanisch vor, Puchero-Suppe und unbekannte
Fische gab es zu essen { sie schmeckten allerdings sehr gut ), jedoch
Schwarzwälder Kirschtorte, Zürcher Geschnetzeltes, bayerische Knödel
oder Hamburger Fischsuppe wurden uns niemals serviert. Deshalb:
deutsche Küche in spanischen Landen!

Die Zusammenstellung der Gruppe sollte man nicht dem Zufall
überlassen, die unsere bestand aus Teilnehmern, die aus dem fernsten
Ausland kamen, Schweiz und sogar Österreich, aus den finstersten
Winkeln der Bundesrepublik ( Schwaben und Bayern, aus einem Dorf bei
Köln (Bonn), aus dem hohen Norden (Hamburg) und nur ein normaler
Berliner war dabei).

Solch ein heterogener Haufen verursacht eine babylonische
Sprachverwirrung, namentlich durch das für normale Ohren
unverständliche Bayerisch und Schwäbisch. Man sollte in diesem Fall
einen Dolmetscher hinzuziehen.

Ist die Gruppe zu friedlich, kann man einen stinkenden Chirurgen, eine
verrückte Amerikanerin und ein paar chronische Querulanten
daruntermischen, zuviel Frieden ist auf die Dauer langweilig.
Abends sollte man die Gruppe bei der Plauderei am Kamin nicht allein
lassen. Wissentschaftliche Vorträge über Zoologie, Botanik und
Geschichte des Landes, schön abstrakt und ausführlich dargestellt,
könnten die Abende nützlich ausfüllen. Eingeschlafene Mitglieder sind

von Fall zu Fall zu wecken.
Den männlichen Teilen der Gruppe müssten abends Flamenco-Kurse
angeboten werden. Bei den stundenlangen Ritten in Schritt und Galopp
werden gewisse Teile arg zerknüllt, die durch Tanz und Bewegung in
lockerer Umgebung wieder geradegerichtet und verwendungsfähig gemacht
werden müssen.

Die Pferde sind alle in langweiligem Weiss gehalten; meinem Wunsche,
ein blaues Pferd zu meinem blauen Pullover passend zu stellen,wurde
nicht entsprochen. So musste ich abends immer die weissen Haare
ausbürsten. Ein modebewusste junge Dame wünschte sich ein rosa Pferd
zum rosa Anorak, aber auch das wurde verweigert.

Die Sättel sind glatt, weich, mit Fellersatz bespannt; sie erinnern an
Sofas. Das beliebte Reiben an Ecken und Kanten auf alten Sätteln, die
an Holzkisten erinnern, unterblieb ganz, nur wenige Blessuren waren zu
verzeichnen.

Nur weil die Tour "Süd-Andalusien" neu im Programm ist und
glücklicherweise nur selten durchgeführt wird, ist es zu verstehen,
dass die Wege derartig ungepflegt sind:

In ihrer reichlich bemessenen Freizeit zwischen den Touren könnten
die beiden Führerinnen die staatlich-andalusischen Reitwege etwas
reiterfreundlicher gestalten. Die vielen Dornenbüsche rechts und links
der Wege wären zu roden, die unzähligen Steine müsste man absammeln,
Brücken über die zahlreichen Bäche und Flüsse schlagen und neugierige
Rinder verjagen, die durch ihre langen und spitzen Hörner die
Reiterinnen verängstigen.

Um die elegante Reitkleidung der Mitglider zu schonen, sollte
grundsätzlich auf Hauptstrassen ausgewichen werden, die allfälligen
Lkw- und Pkw-Staus sorgen für fröhliche Abwechslung.

Gänzlich abzuraten ist jedoch von der Benutzung von Schmuggel- und
Eselspfaden. Erstere zu benutzen ist sowieso schon abenteuerlich, und
Herr G. Civil, der dort für den Zoll zuständig zu sein scheint, hat
sie sicher noch nicht entdeckt. Die Gruppe wurde nämlich von einem
diplomierten, etwa 40jährigen Schmuggler samt seinem etwa 60jährigen
Muli geführt, das sicher Schmuggelware bei sich hatte. Nicole erwähnte
Zigaretten { sie selbst raucht gar nicht ) und Damenstrümpfe, die
Sybille abends zu eleganten Hosen zu tragen pflegte.

Die Eselspfade sind noch abenteuerlicher und werden sicherlich
vernünftigerweise nur von diesen Tieren frequentiert. Einem modernen
Trend folgend, sollte man sie in Eselinnen-Pfade umbenennen.
Die Benutzung derartiger Wege verlangt Überpferdliches! Die Tiere
werden davon so schwach, dass sie mühsam mit Brötchen und
Erdbeer-Marmelade aufgepäppelt werden müssen. Bei Reitern mit normalem
Körpergewicht von 80 kg sind jedoch mehrere Brötchen notwendig.
Lästig sind die vielen Zäune, der Stacheldraht, die Gatter und Tore,
die jeweils zu öffnen sind. Die Leitung muss immer wieder aufgeweckt
werden, absteigen und tätig werden. Man sollte sie ganz abschaffen
( die Zäune, nicht die Leitung ! ).

Die dauernde Abwechslung in der Landschaftsgestaltung geht dem
Reisenden auf die Nerven. Hat man sich an Korkeichen-Wälder gewöhnt,
muss man sich auf Gebirge, Hügel, Weiden und sogar das Meer einstellen.
Das ist zuviel verlangt.
Also: vierzehn Tage Korcheichen o.a., etwas mehr emotionale

Stabilität!
Private Bade-Vergnügen gleich vom Sattel aus sollten ganz unterbunden
werden. Nur auf Anordnung der Leitung, in geeigneter Badekleidung und
ohne Kameras sollte das Baden gestattet sein. Geeignete
Umkleidekabinen sollten an den Flussrändern aufgestellt werden,
Dornenbüsche sind zum Umkleiden ungeeignet.

Alfonso, der Busfahrer, sollte in den langen, beschäftigungslosen Vor-
und Nachmittagsstunden von einem Mitglied der Reisegruppe in der
deutschen Sprache unterwiesen werden. Bis jetzt erschöpft sich sein
Vokabular in dem Kernsatz: "Alles klar ?!"

Sein Bus könnte zweckdienlicher eingerichtet werden: statt der
unbequemen Sitze sollte man Schlafkojen für die abends total
erschöpften Reiter installieren. Schlummertrunk ist erwünscht,
Schlummerlied nicht unbedingt, da über die Qualität eines Duetts
Nicole-Sybille nur wenig ausgesagt werden kann.

Auf die stets katastrophalen Witterungsbedingungen in Andalusien müsste
angemessener reagiert werden, man darf schliesslich nicht alles so
laufen lassen.

Bei Hitze empfiehlt es sich, das völlig nutzlos überall herumlaufende
Beipferd nutzbringend einzusetzen: je ein Behälter rechts und links
für Biere, Weine, Spirituosen und Champagner ( eisgekühlt )
angebracht, und alle Reiter wären glücklich, sich jeweils bedienen zu
können.

Bei Regen sollte man nicht abstimmen, dass gar nichts geschieht, oder (
noch schlimmer ) einfach losreiten, als ob es nicht regnete. Vielmehr
könnte die Gruppe in den Bus einsteigen und die Pferde hinten
anbinden. So ersparte man sich die ganze Strapaze des Reitens und
landete trocken im Hotel. Eventuell fehlende Tiere könnte die Leitung
abends suchen gehen, sie wird sie unschwer irgendwo finden.
Bei Sturm sollte ab Windstärke 8 das Anlegen von Sicherheitsgurten wie
im Flugzeug zur Pflicht werden. Gewisse Exemplare der Gruppe waren
nämlich ständig in Gefahr, einfach abzuheben und davonzufliegen, z.B.
eine Reiterin an der Spitze in grünem Poncho, der ihr das Aussehen
einer Nonne gab, aber nur das Aussehen, eine weitere im rosa und ein
Reiter im blauen Anorak sahen schon aus wie das Männchen von Michelin.
Bei Sturm und Regen wäre an die Verteilung von bunt bedruckten
Regenschirmen mit Aufschrift "PEGASUS-Reisen" zu denken, sie lassen
sich werbewirksam einsetzen, und bei Achterwind Stärke 8 ist ein
zusätzlicher Segeleffekt sehr angenehm.

Aber die Gruppe bei Regen sich selbst zu überlassen, ist verfehlt. Ein
männliches Mitglied bemerkte noch Stunden nach Aufhören des Regens,
dass er immer noch die ganzen Unterhosen voll hat, ein anderes schritt
sogar zum Schutz gegen Regen zu Geschlechtsumwandlung, wodurch das
schon an sich ungünstige Verhältnis von 9 : 4 sich auf 10 : 3
verschlechterte - wenn man Nicole als weibliches Wesen einstuft.

Die grösste Gefahr für die Gruppe scheint jedoch von den zahlreichen
Geiern auszugehen, die namentlich gegen Abend ständig über den
todmüden Reiterinnen zu kreisen pflegten. Es befanden sich 9 sehr
appetitliche weibliche Wesen in der Gruppe, die zu vernaschen jedem
Geier grosses Vergnügen bereitet hätte, den oben genannten Objekten

jedoch weitaus weniger.
Schluss:
Angesichts der zahlreichen, erheblichen und leicht zu beseitigenden
Mängel ist es wohl angebracht, um die Rückzahlung der Reisekosten zu
bitten, damit man wieder eine ( noch bessere ) PEGASUS-Reise buchen
kann, ausserdem, um DM 50.000.- für missgeratene Urlaubsgestaltung !
Kontonummer umseitig.

Trotz oder gerade wegen der obigen Mängelliste wird uns allen diese
Reise unvergesslich bleiben, wofür wir den beiden Führerinnen Nicole
Pegasa und Sybillemausi von Herzen dankbar sind.